Ausgeträumt ….. über die unerwarteten Startschwierigkeiten unseres Schulprojektes in Odisha
- Theresia

- 28. Feb. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Aug. 2023
(short English translation below)
Im Januar 2023 war Johnson zum 2. Mal in Odisha zu Abklärungen für den Start des Schulbetriebs in einem abgelegenen Adivasidorf (siehe unsere Blogbeiträge 16.9. + 18.10.2022). Dort steht zwar seit 15 Jahren ein Schulgebäude, es hat aber nie wirklich ein geregelter Schulbetrieb stattgefunden. Die Lebensbedingungen der Menschen beschrieb Johnson als sehr karg. Der nächste Ort liegt - über unasphaltierte Strassen führend - 10 km entfernt. Kaum im Dorf, wurde Johnson schon um Essen angebettelt. Er und Atal träumten seit dem 1. Besuch im September 2022 davon, den Dorfkindern durch Schulbildung eine bessere Zukunftsperspektive zu bieten.

Das Adivasidorf und das Schulgebäude


Zusammen mit Atal, unserer lokalen Kontaktperson, sprach Johnson nochmals mit dem Dorfvorsteher, der das Projekt unterstützte. Statt der zwei zuvor vorgeschlagenen jungen Studierenden fand Atal inzwischen eine Frau aus dem 10 km entfernt liegenden Ort, die motiviert war, die Funktion der Lehrerin für die, vorerst als Pilotprojekt, geplanten 2 Schuljahre zu übernehmen. Sie spricht auch die gleiche Stammessprache wie die Dorfbewohner - eine ideale Voraussetzung für den Zugang zu den Kindern. Ein kooperativer Unterrichtsstil hätte die bildungsfernen Familien eventuell zusätzlich mit einbinden können.
Staatliche Lehrer sprechen oft nicht die Stammessprache und haben einen meist sehr direktiven Unterrichtsstil, der Familien und Kinder eher abschreckt. Die Motivation solcher Lehrer, in abgelegenen Dörfern zu unterrichten, hält sich in Grenzen. Wahrscheinlich alles Gründe, warum der Schulbetrieb bisher nie richtig funktionierte.
Die bisherigen Abklärungen von Johnson und Atal hatten unser Unterstützer Ruedi N. dankenswerterweise in einem mehrseitigen Projektentwurf mit Evaluationsvorschlägen zusammengefasst. Finanziert werden sollte das mit ca 2000 Fr / Euro pro Jahr veranschlagte Projekt mittels der grossen Jahresspende eines Luzerner Unternehmers, die wir schon Ende 2020 zu Gunsten eines Bildungsprojektes entgegennehmen durften. Alles schien parat und wir dachten, diese Mittel hier sinnvoll einsetzen zu können.
Nach der Rückkehr von Johnson Ende Januar berichtete Atal ihm begeistert per WhatsApp von seinem Besuch beim zuständigen schulischen Behördenvertreter in der Stadt. Er sei auf grosse Resonanz gestossen, werde bald eine schrifltiche Bewilligung und den Schlüssel zum Schulgebäude erhaltenund hätte die volle Unterstützung seiner Behörde, denn man wisse um die schwierige Bildungssituation der Adivasibevölkerung in den Waldgebieten.

Atal, begleitet von zwei Dorfvertretern, beim Zuständigen für das Schulgebäude
Wir werteten die Möglichkeit der offiziellen Erlaubnis zur Nutzung der Schule fortan als einen wichtigen Indikator, dass wir dieses Projekt in Zukunft eines Tages doch wieder zur Weiterführung in staatliche Hände würden geben können. Niemand von uns hatte aber mit dem weiteren, überraschenden Verlauf der Dinge gerechnet…….
Wie wir plötzlich hörten, tauchen im Dorf offensichtlich regelmässig maoistisch orientierte Kämpfer der Naxaliten auf, die in den unwegsamen Waldgebieten der Umgebung ein Basislager haben – wovon Atal und Johnson nichts wussten. Seit Jahrzehnten kämpft diese Untergrundguerilla vorwiegend im Osten / Nordosten Indiens gegen den indischen Staat. Deren Mitglieder spielen sich als Rächer der Armen auf und finden vor allem in armen ländlichen Gegenden Rückhalt. Sie gelten allerdings auch als rücksichtslos und kriminell. Wahrscheinlich waren auch die Dorfverantwortlichen überrascht von der harschen Reaktion der Kämpfer, die ihnen ankündigten, dass es grosse Probleme geben würde, wenn der Schulbetrieb, wie geplant, aufgenommen werden sollte. Damit war der Traum unseres Bildungsprojektes auf einen Schlag ausgeträumt…..
Wir nehmen an, dass für die Naxaliten die geplante Inbetriebnahme der Schule der ausschlaggebende Punkt war und von ihnen gleichgesetzt wurde mit einer Kooperation mit der verhassten indischen Regierung. Und ein vermehrtes Auftauchen auswärtiger Personen im Dorf hätte natürlich das Risiko des Bekanntwerdens ihres Aufenthaltsortes in den Wäldern markant erhöht. Vielleicht irritierte es sie auch und empfanden sie es als Einmischung in ihr Hoheitsgebiet, dass jemand aus Kerala im Dorf aufgetaucht war und Unterstützung versprach. Tief enttäuscht kündigten Johnson und Atal verständlicherweise dem Dorfvorsteher den sofortigen Rückzug unseres Projektes an. Auch wir finden es schade, das Projekt so unvermittelt abbrechen zu müssen, denn sie hatten viel Zeit und Herzblut in dessen Vorbereitung gesteckt und auch die Dorfbevölkerung für eine Kooperation zu Gunsten ihrer Kinder gewinnen können. Derzeit ist noch offen, ob und in welchem Rahmen wir in Odisha in einem anderen Ort und in einer anderen Gegend, einen neuen Anlauf mit diesem Schulprojekt unternehmen wollen.
We regret, that we had to cancel our Adivasi village school project in Odisha, which should start in 2023. Atal and Johnson met in September 2022 (see our English Blog report from October 2022) and in January 2023 to prepare the project. The village people seemed to be happy, to get a chance for education and better future for their children. But nobody of us knew or thought, that Naxalites (maoist guerrilla fighters, fighting against the Indian government) were staying in this area. They threatened the village people not to start the school, otherwise they would get big problems.
Theresia Imgrüth



